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Diversion – Was ist das eigentlich?

Immer wieder liest man in den Medien, dass ein Strafverfahren „mit Diversion“ beendet wurde. Aber was heißt das eigentlich?

Was ist Diversion?

Seit dem Jahr 2000 gibt es in Österreich in der Strafprozessordnung ein eigenes Kapitel „Diversion“( §§ 198 ff StPO). Beschuldigten im mittleren Strafbereich – im Wesentlichen bei Delikten mit bis zu fünf Jahren Strafdrohung – kann eine Diversionsmaßnahme angeboten werden. Die:der Beschuldigte bekommt damit das Angebot, sich einer belastenden Maßnahme zu unterwerfen, damit auf ein förmliches Strafverfahren verzichtet wird. Das heißt auch, dass es zu keinem Schuldspruch und keiner formellen Verurteilung kommt. Im Gesetz ist als wichtiges Kriterium für diversionelle Verfahrenserledigungen festgelegt, dass Opferinteressen (insbesondere Wiedergutmachungsinteressen) so weit wie möglich berücksichtigt und befriedigt werden.

Welche Arten von Diversion gibt es?

Bei Vorliegen der Voraussetzungen für Diversion kann die Staatsanwaltschaft oder das Gericht aus folgenden „Diversionsmaßnahmen“ ein Angebot auswählen:

  •  Zahlung eines Geldbetrages ( „Bußgeld“)
  •  Erbringung gemeinnütziger Leistungen
  •  Bestimmung einer Probezeit, ggf. verbunden mit Bewährungshilfe oder Pflichten
  •  Tatausgleich

Wenn die:der Beschuldigte dem Angebot zustimmt und die damit verbundenen Verpflichtungen erfüllt, wird das Strafverfahren eingestellt – es kommt zu keiner Verurteilung. Bei Nichtzustimmung zur Diversion oder Nichterfüllung der Verpflichtungen wird das Strafverfahren fortgesetzt. Am öftesten wird, mit einem Anteil von 42,6 % an allen Diversionsangeboten, die Zahlung eines Geldbetrags angeboten . Eine reine Probezeit ohne Pflichten wird in 26,5 % angeboten, dazu kommen 7,3 % Probezeit in Verbindung mit auferlegten Pflichten, 8,4 % gemeinnützige Leistung und 16,3 % Tatausgleich. Diese Auswertung zeigt, dass von den Diversionsangeboten bei 69 % (Zahlung und Probezeit ohne Pflichten) das Delikt mit den Beschuldigten nicht besprochen wird und allenfalls persönlich betroffene Opfer nicht in die Diversion einbezogen werden.

Anteile basierend auf Sicherheitsbericht des Justizministeriums 2021

Diversion als Chance

Wir finden, dass die Diversion Chancen bietet, durch eine passende Auswahl der Maßnahme und die aktive Auseinandersetzung mit dem eigenen Fehlverhalten einen positiven Veränderungsprozess bei Beschuldigten anzustoßen. Das ist dann möglich, wenn Beschuldigte und Opfer in die Diversion persönlich einbezogen werden. Wenn zum Beispiel die Pflicht zu einem Anti-Gewalt-Training oder die Begleitung durch Bewährungshilfe auferlegt wird, gemeinnützige Leistung oder ein Tatausgleich angeboten werden. Dann finden zielgerichtete Gespräche mit Beschuldigten – im Tatausgleich auch mit Opfern – statt. So können wirksam individuelle Präventionsmaßnahmen erarbeitet werden.

Opferinteressen im Tatausgleich

Wenn im Hintergrund der Tat, die zur Anzeige geführt hat, ein eskalierter persönlicher Konflikt steht, bietet sich der Tatausgleich an, denn nirgendwo sonst können die Interessen des Opfers besser zur Geltung kommen. Die Gefühle der Opfer bei erlebtem Gewalthintergrund sowie die Sicht der Opfer auf den Vorfall werden intensiv thematisiert, auch gegenüber den Beschuldigten. Sie bilden die Grundlage für einen Konfliktlösungs-Plan. Wenn das Opfer nicht explizit dem Tatausgleich zustimmt, ist kein Tatausgleich möglich – die Freiwilligkeit für Opfer ist gesetzlich vorgeschrieben.

Die klare Verantwortungsübernahme seitens des Beschuldigten für die (Gewalt-)Handlung und eine glaubhafte Entschuldigung, oft verbunden mit Schadenersatz, sind ebenfalls erforderlich.

Opfer sind mit Tatausgleich zufrieden

Studien zeigen, dass nach einem erfolgreichen Tatausgleich die Rückfallwahrscheinlichkeit von Beschuldigten besonders gering und die Zufriedenheit von Opfern besonders hoch ist (Hofinger et al: Legalbewährung von NEUSTART Klient:innen. IRKS 2018; Haller: Die Zufriedenheit von Opfern im Tatausgleich. Institut für Konfliktforschung 2022).

Insbesondere wenn Beschuldigte und Opfer offensichtlich schon einen länger andauernden Konflikt haben und persönlich zur Bereinigung der Angelegenheit bereit sind, besteht beim Tatausgleich für Opfer die Chance auf umfassende, bedürfnisorientierte Erledigung sowie schnelle Schadenswiedergutmachung und für Beschuldigte die Chance, für zukünftige Konflikte bessere Lösungsmöglichkeiten zu entwickeln!

Über die/den Autor:in

Leitung NEUSTART Zentralbereich Sozialarbeit

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