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Drei Fragen an… Martin Schenk

Martin Schenk ist Sozialexperte der Diakonie und Mitbegründer der Armutskonferenz. Für unsere Rubrik "Drei Fragen an... " hat er mit uns über das Thema Armutsbekämpfung gesprochen.

Durch die Inflation geraten immer mehr Menschen unter finanziellen Druck. Welche Maßnahmen sind aus Ihrer Sicht am dringendsten, um der steigenden Armut Einhalt zu gebieten?
Insgesamt würde ich die Maßnahmen der Regierung in drei Kategorien teilen. Erstens, was den einkommensschwächsten Haushalten hilft: das wären die Wertanpassung der Sozialleistungen, die Erhöhung der Ausgleichszulage, der Klimabonus, der Kindermehrbetrag, die 60 Euro im Monat für armutsbetroffene Kinder, der Wohn- und Energieschirm in Einzelfällen. Zweitens, was besser ginge: den Klimabonus einkommensabhängig gestalten, die Sozialleistungen unterjährig jetzt schon im Halbjahr valorisieren, Haushaltsbetrachtung und progressive Ausgestaltung der Stromkostenbremse. Drittens, was fehlt: die Valorisierungen in der Arbeitslosenversicherung, bessere Wohnbeihilfe, die Reform der Sozialhilfe. Man könnte die Notstandshilfe auf die Höhe des Arbeitslosengeldes anheben – wie schon erfolgreich in der Corona Krise. Was wirklich fehlt: preisdämpfende Maßnahmen. Zum Beispiel die Mieterhöhungen vom Verbraucherpreisindex zu entkoppeln, der das Wohnen in einer sich selbst verstärkenden Preisspirale immer teurer macht. Oder eine Stromkostenbremse zu einer Energiegrundsicherung ausbauen. Damit könnte eine bestimmte Versorgung an Energie als Grundanspruch jedem Menschen zugesichert werden.

Armut und Kriminalität: Sehen Sie hier einen unmittelbaren Zusammenhang?
Sozialpolitik ist die beste Kriminalitätspolitik. Geht die Schere zwischen arm und reich noch mehr auf, heißt das mehr Krankheiten und geringere Lebenserwartung, mehr Teenager-Schwangerschaften, mehr Status-Stress, weniger Vertrauen, mehr Schulabbrecher:innen, vollere Gefängnisse, mehr Gewalt und mehr soziale Ghettos. Kriminalitätsprävention beginnt mit einem gesicherten persönlichen Lebensumfeld. Unbestritten ist, dass positive soziale Integration und Teilhabe, gesicherte Existenz, Bildung und Arbeit wichtige Faktoren zur Verhinderung von Straffälligkeit sein können. Kriminalität aber gibt es überall. Die Korruptionsskandale der letzten Jahre zeigen das.

Kein Schulausflug, kein Zirkusbesuch, keine Saisonkarte fürs Freibad: Armut ist oft nicht sichtbar und trotzdem sind immer mehr Kinder und Jugendliche betroffen. Was leistet die Armutskonferenz im Kampf gegen Kinderarmut?
Die soziale Benachteiligung von Kindern zu bekämpfen, heißt, die Therapielücke bei psychischen Problemen zu schließen, heißt Präventionsketten für Kinder einzuführen, heißt eine warme Mahlzeit in der Schule zu organisieren, heißt das unterste soziale Netz zu reformieren, damit Existenzsicherung, Chancen und Teilhabe für jedes Kind gesichert sind. Die in der Armutskonferenz zusammengeschlossenen Initiativen und Organisationen machen sich dafür gemeinsam stark. Weil wir gemeinsam mehr Kraft haben.

Foto: © Luiza Puiu

Über die/den Autor:in

Maria Renner ist seit 2022 Teil des Kommunikations-Teams des Vereins und ist Ansprechpartnerin für sämtliche NEUSTART Publikationen, unter anderem unseren Jahresbericht „Report“.

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