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Die (Ohn)Macht der Entschuldigung

Wiedergutmachende Gerechtigkeit setzt bei Täter:innen und Opfern an. Bewährungshelfer:innen haben dafür ein geschultes Sensorium.
Zwei Personen im Park

Wenn einem Unrecht getan wurde, ist eine aufrichtige und von Selbstreflexion geprägte Entschuldigung ein wichtiger Schritt zur Aufarbeitung des Erlebten. Das gilt für den sozialen Alltag und umso mehr gegenüber Opfern von Gewalt. Ist mit einer Entschuldigung alles klar und erledigt? Nein, so einfach ist es nicht. Sich entschuldigen bedeutet unter anderem, jemanden wegen eines falschen Verhaltens um Nachsicht und Verzeihung zu bitten. Nur weil man eine Entschuldigung formuliert muss diese vom Gegenüber nicht automatisch angenommen werden. Man bittet darum, dass sie akzeptiert wird und daher ist es wichtig, dass sie glaubwürdig ist und nicht bereits Relativierungen in sich trägt.

Im Sinn der opferschutzorientierten Täterarbeit und der Restorative Justice ist die Wiedergutmachung ein wichtiges Element für das Opfer. Eine Entschuldigung ist ein essenzieller Teil davon.

Die Bewährungshelferinnen und Bewährungshelfer, Konfliktreglerinnen und Konfliktregler sowie Gewaltberaterinnen und -berater haben bei diesem Aspekt ein geschultes Sensorium, damit die Entschuldigung nicht zu einer lästigen Pflichtübung verkommt. Was bedeutet das in der Praxis? Ein in den Raum gestelltes „Dann entschuldige ich mich halt, wenn ich muss“ ist relativ klar als sinn- und inhaltslos zu erkennen. Schwieriger wird es mit Sätzen wie „Es tut mir leid, wenn ich dadurch Ihre Gefühle verletzt habe“. Analysiert man diese Aussage genauer, sieht man, dass diese durch wenig Selbstreflexion und Empathie geprägt ist. Nicht die eigenen Handlungen sind ursächlich für das zugefügte Unrecht, sondern die Gefühlsvorstellungen des Opfers nach der Tat. Damit findet in dieser Aussage im Grunde eine Täter-Opfer-Umkehr statt. In der Präventionsarbeit und im Gewaltschutz sind solche Details wichtig. Denn Selbstreflexion und Opferempathie von Täterinnen und Tätern sind wichtige Teile einer nachhaltigen Deliktvermeidung.

Wiedergutmachende Gerechtigkeit, die etwas sperrig klingende Übersetzung von Restorative Justice, setzt bei Täter und Opfer an. Der Rechtsfrieden soll nicht durch Strafe, sondern durch Versöhnung und Wiedergutmachung wiederhergestellt werden. Opfer und Täter rücken so in den Mittelpunkt sozialarbeiterischen und strafrechtlichen Handelns.

Hier liegt auch die Verantwortung von Professionistinnen und Professionisten, in der Täterarbeit nicht locker zu lassen und die intensive Auseinandersetzung mit den Klientinnen und Klienten zu suchen. Das soll so gut wie möglich sicherstellen, dass die Opfer zu Entschuldigungen kommen, die von Selbstreflexion und Verantwortungsübernahme geprägt sind. Damit es zu keinen weiteren Vorfällen kommt und es dem Opfer besser ermöglicht wird, den Übergriff zu verarbeiten. Denn die aufrichtige Entschuldigung sollte selbstverständlich sein.

Alexander Grohs MSc, Leiter von NEUSTART Niederösterreich und Burgenland

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Über die/den Autor:in

Leiter von NEUSTART Niederösterreich und Burgenland seit 2017. Zuvor Abteilungsleiter und Sozialarbeiter, im Schwerpunkt tätig in der Bewährungshilfe, Haftentlassenenhilfe und Anti-Gewalt-Training.
Nebenberuflicher Lektor an der der FH St. Pölten für „Devianz und Strafrecht“. Referent für Gewaltarbeit und (De-)Radikalisierung.
Vor NEUSTART als Flüchtlingsberater, Outplacer und Schulsozialarbeiter beschäftigt.

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