Suche
Close this search box.

„Sollen wir uns etwa von ihren Blutungen beherrschen lassen!“

Ich mag mein Fitnessstudio. Was ich dort allerdings so alles mit anhören muss, mag ich weniger. Die dort immer wieder vernommenen Dialog misogyner Männer bilden mittlerweile eine eigene Reihe hier auf unserem Blog, die ich eigentlich lieber nicht schreiben würde. Vielleicht sind wir irgendwann gesellschaftlich soweit, dass es solche Geschichten nicht mehr gibt, bis dahin werde ich sie immer wieder aufschreiben und hier mit Ihnen teilen.

Wochenende im Fitnessstudio

Beim Betreten des Trainingsraumes kommt mir eine Sportlerin mit angeekeltem Gesichtsausdruck fluchtartig entgegen. Gleich darauf sehe ich zwei Männer mittleren Alters, die sich – anscheinend bewusst – lautstärker unterhalten in paralleler Anwesenheit mehrerer weiteren Trainierender. Einer davon, in primitiv maskuliner Pose mit dem rechten Fuß auf der Trainingsbank sein Gemächt präsentierend, ist anscheinend schon mitten in seinem Dialog mit dem anderen.

„Stell dir vor, jetzt wollen die mir doch tatsächlich eine Frau als Chefin vorsetzen.“
„So ein Witz, hat sich wohl raufgev….t.“
„Sicher, Wei… sind einfach nicht für Leitungsjobs geeignet, dass sollten sie doch selbst mittlerweile wissen, null Durchsetzungsvermögen.“
„Genau, was soll denn da rauskommen? Sollen wir uns etwa von ihren Blutungen beherrschen lassen!“

Wir haben hier gleich mehrere Punkte, die uns aus in der Täterarbeit bei häuslicher Gewalt beschäftigen.
Zunächst einmal liegt hier eine patriarchale Grundhaltung vor, die von einem klaren Machtgefälle zwischen Mann und Frau ausgeht. Diese wird durch eine Frau, die eine höhere Position als der Mann einnimmt, in Frage gestellt und gefährdet. Die Reaktion darauf ist eine Abwertung in mehrerer Hinsicht (persönliche Ebene, Geschlecht, Sexualität) um eine Hinterfragung der eigenen Defizite, Sichtweisen und des Rollenbildes zu vermeiden.

Diese Abwertung ist klar formuliert psychische Gewalt

Auch wenn hier die betreffende Person nicht im Raum ist und dies hört (was leider nicht ausschließt, dass sie im Arbeitssetting damit konfrontiert wird). Es ist in dieser Situation schon psychische Gewalt gegenüber den anderen anwesenden Frauen, welche die mit patriarchaler Selbstverständlichkeit vorgetragen Ausführungen mitanhören müssen.

In der opferschutzorientieren Täterarbeit bei NEUSTART ist ein wesentlicher Bestandteil die Normverdeutlichung und Gewaltstopp. Die Auseinandersetzung mit einem Machtgefälle, wie es in patriarchalen Strukturen ausgeübt wird, ist dafür essentiell, da diese die Grundlange für Gewalt darstellt.

Auch psychische Gewalt ist bereits Gewalt und die Basis für körperliche Übergriffe und das Opfer ist nicht für die ausgeübte Gewalt verantwortlich, sondern immer der Täter. Leider sind wir gesellschaftlich noch immer nicht soweit, dass dies die Grundhaltung wäre, ansonsten würden solche Gespräche nicht geführt werden, noch dazu mit solcher Selbstverständlichkeit im öffentlichen Raum.

Wichtig ist hier auch abseits der professionellen Settings im privaten Bereich Grenzen zu ziehen und eine Frauenfeindlichkeit nicht achselzuckend hinzunehmen.

Übrigens endete der Dialog am geschilderten Punkt glücklicherweise. Fast zeitgleich wurden die beiden von einer befreundeten Sportlerin und mir unterbrochen. Sie stellte deftig klar, dass sie diese Misogynität nicht dulde, beide dies sofort unterlassen sollen und es eine Meldung an die Studioleitung von ihr geben werde. Beide verstummten und verschwanden zügig in Richtung der Umkleide. Tja, soviel zum Statementteil, dass sich Frauen nicht durchsetzen können 😊

Über die/den Autor:in

Leiter von NEUSTART Niederösterreich und Burgenland seit 2017. Zuvor Abteilungsleiter und Sozialarbeiter, im Schwerpunkt tätig in der Bewährungshilfe, Haftentlassenenhilfe und Anti-Gewalt-Training.
Nebenberuflicher Lektor an der der FH St. Pölten für „Devianz und Strafrecht“. Referent für Gewaltarbeit und (De-)Radikalisierung.
Vor NEUSTART als Flüchtlingsberater, Outplacer und Schulsozialarbeiter beschäftigt.

Mehr von mir lesen >>