Trigger, Flashbacks, Integration und Stabilisierung

Was posttraumatische Reaktion bedeutet und wie sie verstanden und begleitet werden kann.

Es gibt im Leben Situationen, die tief erschüttern – Erlebnisse, die Menschen als lebensbedrohlich oder überwältigend erleben. Dazu können zum Beispiel schwere Unfälle, Gewalterfahrungen, lebensbedrohliche Erkrankungen, Naturkatastrophen oder Krieg gehören. Die WHO definiert ein Trauma als ein kurz- oder langanhaltendes Ereignis oder Geschehen von außergewöhnlicher Bedrohung mit katastrophalem Ausmaß.

Auf ein Trauma reagiert das Nervensystem vereinfacht ausgedrückt mit einer Art „Notfallprogramm“ – oft im Modus von Kampf, Flucht oder Erstarren. Das ist eine gesunde Reaktion. Wenn diese Stressreaktionen nicht verarbeitet werden, kann das Erlebte jedoch im Körpergedächtnis „eingefroren“ bleiben. Die Folge: Der Körper reagiert später auf harmlose Reize, als wäre die Gefahr noch da – eine posttraumatische Reaktion.

Nicht jedes Trauma führt zu einer posttraumatischen Reaktion

Laut Studien machen weltweit ungefähr 75% der Bevölkerung im Lauf ihres Lebens eine traumatische Erfahrung. Jedoch entwickeln nicht alle, die ein traumatisches Ereignis erlebt haben, auch eine posttraumatische Reaktion. Ob sich eine solche herausbildet hängt von Risiko- und Resilienzfaktoren ab. Einen Schutz vor späteren Spätfolgen bieten insbesondere

  • ein stabiles soziales Netz
  • gute Selbstregulation und Stressbewältigung
  • frühzeitige psychologische Unterstützung
  • positive Selbstwirksamkeit („Ich kann das bewältigen“)

Symptome: Wenn das Trauma Spuren hinterlässt

Typisch für eine posttraumatische Reaktion ist, dass die Betroffenen auch lange nach dem Ereignis unter anhaltenden psychischen und körperlichen Belastungen leiden. Die Symptome lassen sich grob in vier Gruppen einteilen:

  1. Wiedererleben (Intrusionen und Flashbacks)

Plötzliche Erinnerungen, Bilder oder Albträume können die Erinnerung an das Trauma plötzlich wieder sehr real und bedrohlich erscheinen lassen Diese Flashbacks sind oft unkontrollierbar und lösen starke Angst, Panik oder Ohnmachtsgefühle aus.

  1. Vermeidung

Betroffene meiden alles, was mit dem Trauma zu tun haben könnte: Orte, Menschen, Situationen oder Gespräche. Auch Gedanken und Gefühle, die das Erlebnis wachrufen könnten, werden unterdrückt – was allerdings viel Kraft kostet.

  1. Übererregung

Das Nervensystem steht dauerhaft „unter Strom“. Reizbarkeit, Schlafstörungen, Konzentrationsprobleme, ständige Wachsamkeit oder ein Gefühl innerer Unruhe gehören dazu. Viele fühlen sich ständig bedroht, obwohl objektiv keine Gefahr besteht.

  1. Negative Veränderungen im Denken und Fühlen

Eine posttraumatische Reaktion verändert auch das Selbstbild und die Weltwahrnehmung: Gefühle von Schuld, Scham, Entfremdung oder Hoffnungslosigkeit treten auf. Viele Betroffene berichten von einem Gefühl, „nicht mehr dieselbe Person“ zu sein wie vor dem Trauma.

Was sind Trigger?

Trigger sind Reize, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen. Sie können visuell, akustisch, körperlich oder emotional sein – und wirken oft wie aus dem Nichts. Ein bestimmter Geruch, ein Geräusch, ein Satz, eine Berührung oder eine Filmszene können das Nervensystem plötzlich in Alarmbereitschaft versetzen. Wichtig ist: Der Trigger selbst ist nicht gefährlich, aber das Gehirn bewertet ihn aufgrund des Traumas als Bedrohung.

Trigger zu erkennen und zu benennen ist ein wichtiger Schritt in der Traumabewältigung – denn nur, was bewusst wird, kann auch verändert werden.

Der Weg in neue Stabilität

Die gute Nachricht: Posttraumatische Reaktionen sind bewältigbar. Auch wenn der Weg oft lang und manchmal mit Rückschritten verbunden ist, gelingt es Betroffenen, Stabilität, Lebensqualität und Vertrauen zurückgewinnen. Dabei unterstützen vor allem

  1. Stabilisierung

Bevor das Trauma direkt bearbeitet wird, ist oft eine Phase der Stabilisierung nötig. Dabei geht es um Selbstregulation, Sicherheit und das Erlernen von Techniken zur Beruhigung des Nervensystems.

  1. Psychotherapie

Die wirksamste Behandlung ist in der Regel eine traumafokussierte Psychotherapie. In geschütztem Rahmen werden das Trauma bearbeitet, Trigger entschärft und neue Strategien im Umgang mit Stress erlernt.

  1. Soziale Unterstützung

Ein unterstützendes soziales Umfeld kann wesentlich zur Bewältigung einer posttraumatischen Reaktion beitragen, indem es Sicherheit, Verständnis und emotionale Stabilität vermittelt. Menschen, die sich gehört und gehalten fühlen, entwickeln eher Vertrauen, öffnen sich eher für therapeutische Unterstützung – und erleben seltener Isolation oder Rückzug.

Ein realistischer Blick

Das Trauma wird nicht „gelöscht“. Aber das Gefühl innerer Sicherheit, von Verbundenheit und neuer Stärke ist nach einem traumatischen Ereignis erreichbar.

Das Trauma kann seinen Schrecken verlieren. Es wird möglich, Abstand zu gewinnen, zu verstehen, was geschehen ist – und das Leben wieder aktiv zu gestalten. Viele Menschen entwickeln nach traumatisierenden Ereignissen im Laufe der Zeit eine erstaunliche Resilienz und ein tiefes Mitgefühl für sich und andere.

Unterstützungsmöglichkeiten

Im Rahmen der psychosozialen und juristischen Prozessbegleitung unterstützt NEUSTART Verbrechensopfer, dabei wird auch über Trauma und posttraumatische Reaktionen informiert. Diese sogenannte „Psychoedukation“ kann dazu beitragen, dass Betroffene ihre Reaktionen gut einordnen können. Wir unterstützen auch dabei, weiterreichende Angebote wie Psychotherapie zu organisieren.

Als Anlaufstellen für Gewaltopfer stehen zur Verfügung:

Frauenhelpline gegen Gewalt – 0800 222 555

Der Opfer-Notruf – 0800 112 112

Rat auf Draht  – 147

Männerinfo – 0800 400 777

Über die/den Autor:in

In der Leitung Sozialarbeit zuständig für den Themenkomplex häusliche Gewalt, die Gewaltpräventionsberatung, den elektronisch überwachten Hausarrest, die Prozessbegleitung und den Saftladen.

Nebenberuflich Lektorin an der Sigmund-Freud-Universität und Trainerin, unter anderem in der Fortbildung zur juristischen Prozessbegleitung.
Vor NEUSTART wissenschaftlich und im Opferschutz tätig.

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