Bitte stell dich kurz vor. In welcher Region und seit wann engagierst du dich als ehrenamtliche Bewährungshelferin.
Ich heiße Karoline Agrinz, bin 64 Jahre alt, komme ursprünglich aus der Steiermark, wohne in Klagenfurt und engagiere mich seit Oktober 2021 als ehrenamtliche Bewährungshelferin bei NEUSTART in Klagenfurt.
Warum hast du dich für dieses Ehrenamt entschieden? Was gefällt dir daran am besten?
Ich liebe die Arbeit mit Menschen. Ich hatte in meiner hauptberuflichen Tätigkeit immer wieder Kontakt mit Klient:innen von NEUSTART und deren Bewährungshelfer:innen. Durch die sehr positive Zusammenarbeit, habe ich die Organisation schätzen gelernt. Aufgrund meiner damals bevorstehenden Pensionierung, bestand schon länger der Wunsch, weiterhin einer Tätigkeit nachzugehen, die mir Freude bereitet. Sehr schnell hat sich herauskristallisiert, dass NEUSTART die richtige Organisation für mich ist.
Am besten gefällt mir der Kontakt zu meinen Klient:innen, sie in ihren unterschiedlichen Lebens- und Problemlagen abzuholen, eine Vertrauensbasis aufzubauen und die Herausforderung, gemeinsam mit den Klient:innen ihre „Route neu zu berechnen“, als Navigatorin zu fungieren und die positive Veränderung im Laufe der Zeit miterleben zu dürfen. Der wertschätzende Umgang unter allen Kolleg:innen, die gute Unterstützung bei Fragen und interessante Fortbildungen sind weitere Aspekte, aus denen ich mich mit Freude für mein Ehrenamt engagiere.
Und was hast du früher hauptberuflich gemacht?
Ich bin seit Mai 2023 in Alterspension und war vor meiner Pensionierung als Casemanagerin in der ÖGK beschäftigt.
Wie ergänzen sich dein Ehrenamt und ehemaliger Hauptberuf gegenseitig? Profitiert das eine vielleicht sogar vom anderen?
Ehrenamt und Hauptberuf haben sich gegenseitig gut ergänzt. Ich profitiere noch immer von den Kontakten und meinem Netzwerk, das ich mir im Hauptberuf aufbauen konnte. Ich habe für fast jedes Problem noch eine Ansprechperson aus meiner hauptberuflichen Zeit. Mein erlerntes Wissen, der Umgang mit den Klient:innen und die Erfahrung in sozialversicherungsrechtlichen Belangen, vor allem rund um das Rehageld, sind sehr hilfreich in der Beratung von Klient:innen.
Was sagt dein Umfeld dazu, dass du ehrenamtliche Bewährungshelferin bist? Welche Rückmeldungen bekommst du, wenn du davon erzählst?
Viele Bekannte, vor allem jene, die selbst im sozialen Bereich tätig sind, bringen meinem ehrenamtlichen Engagement Verständnis und Wertschätzung entgegen. Es gibt aber auch solche, die zuerst einmal nicht verstehen können, warum ich mich freiwillig mit Menschen, ihren Delikten und den dadurch entstandenen Problemen auseinandersetze und meine Zeit investiere. Dadurch ergeben sich allerdings oft auch gute Gespräche, in denen man dann merkt, welche Vorurteile noch immer in der Gesellschaft herrschen und wie sich, durch aussagekräftige Information, Sichtweisen ändern können.
Wie viele Klienten begleitest du derzeit?
Derzeit begleite ich vier Klient:innen.
Gibt es Klient:innen Typen, mit denen du besonders gerne und konstruktiv arbeitest?
Ich arbeite gerne mit jungen Erwachsenen, die einen schwierigen familiären Hintergrund haben.
Also liegen dir bestimmte demografische Gruppen und Delikt-Arten mehr als andere?
Meine bisherige Erfahrung hat gezeigt, dass mir Suchtdelikte liegen.
Gibt es so etwas wie eine typische Betreuungssituation? Wie laufen die Termine mit deinen Klient:innen ab?
Die Betreuungssituation ist in der Regel individuell an die persönliche Situation der:des Klient:in angepasst. Termine finden an unterschiedlichen Örtlichkeiten statt – im Café, bei einem Spaziergang, Hausbesuch oder auch in einem NEUSTART Büro. Ich habe das Glück, dass meine Klient:innen sehr zuverlässig sind. In einer eher lockeren und entspannten Atmosphäre erkundige ich mich, wie es ihnen geht und ob ihnen etwas am Herzen liegt. Ich habe immer einen roten Faden – aufgrund der letzten Ereignisse, des letzten Gespräches oder des Arbeitskonzeptes sowie der Dokumentation – und knüpfe dort an. Je nach notwendiger Unterstützung wird die:der Klient:in motiviert, werden Kontaktdaten weitergegeben, Anträge gemeinsam ausgefüllt, das Delikt bearbeitet, psychosoziale und gesundheitliche Themen behandelt oder Mut zugesprochen. Humor, aber auch ein kurzer persönlicher Austausch, dürfen nicht zu kurz kommen.
Was sind die größten Herausforderungen in der Arbeit mit Straffälligen?
Da in der Begleitung immer ein Beziehungsaufbau stattfindet, merke ich, dass Emotionen und die notwendige Abgrenzung immer wieder eine Herausforderung darstellen. Eine besondere emotionale Herausforderung ist es für mich, wenn ein Klient verhaftet wird und Frau und Kinder unversorgt und mit großen Zukunftsängsten dastehen.
Woran merkst du konkret, dass deine ehrenamtliche Arbeit etwas bewirkt?
Ich merke konkret, dass meine ehrenamtliche Arbeit etwas bewirkt, wenn ich im Lauf der Betreuungszeit eine positive Veränderung miterlebe. Wenn ein:e Klient:in, nach einem längeren Haftaufenthalt, ganz von vorne beginnen muss und durch die ehrenamtliche Unterstützung innerhalb weniger Monate wieder Fuß fasst und mit neuen Perspektiven Teil der Gesellschaft wird, diese Chance wahrnimmt und Lebensfreude entwickelt.
Wie findest du persönlich Ausgleich zu deinem Job und Ehrenamt? Was machst du in deiner Freizeit?
Persönlichen Ausgleich finde ich bei Unternehmungen mit meinem Partner und meinem Hund – gemeinsam genießen wir Wanderungen, Reisen, Kultur, … oder auch einfach einmal nichts zu tun und zu lesen. Außerdem beim geselligem Beisammensein mit Freund:innen und Familie. Einmal im Monat bin ich „Gästebetreuerin“ im Repair Cafe. Mein Hund und ich sind außerdem gerade in Ausbildung zu einem Therapiebegleithundeteam.