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Gewalt ans Licht bringen – Opferschutzgruppen in Krankenanstalten

Die Opferschutzgruppen in den österreichischen Krankenanstalten sind, obwohl zumeist nicht im breiten Blickpunkt der Öffentlichkeit, ein wichtiges Instrument im Gewaltschutz...

Diese setzten sich aus engagierten Ärzt:innen und Pflegekräften zusammen, denen der Themenbereich Gewalt ein besonderes Anliegen ist. Ziel dieser Gruppen ist die Sensibilisierung und Informationsvermittlung und die Unterstützung der Sichtbarmachung, vor allem, von Gewalt in der Privatsphäre.

Dadurch soll häusliche Gewalt dort, wo sie durch die Behandlung von Verletzungen und nach sexuellen Übergriffen (leider) oftmals erstmalig direkt wahrgenommen wird, frühestmöglich erkannt und die Opfer professionell unterstützt werden.

Im Gespräch mit einer Ärztin hat diese es aus meiner Sicht gut auf den Punkt gebracht:

„Ich möchte häusliche Gewalt an Licht bringen.“

Da Gewalt in der Privatsphäre für die Opfer zumeist mit Scham- und Ohnmachtsgefühlen verbunden ist, stellt der empathische und professionelle Zu- und Umgang mit ihnen direkt nach Gewalterlebnissen, einerseits für deren mentale Bewältigung des Vorfalles – sowie Vermittlung an weiterführende Opferschutzeinrichtungen – und andererseits für die weitere Ermittlung/Strafverfolgung eine wichtige Grundlage dar.

Ein Beispiel:
Eine Frau kommt mit einer Verletzung in die Notaufnahme. Es wird von ihr aus Scham nicht klar angegeben, dass sie von einer Attacke durch den Ehemann stammt. Sie würde die Brücke benötigen, dass diese Möglichkeit von Seiten des/der Ärzt:in angesprochen wird. Erfolgt dies nicht, wird das Opfer wahrscheinlich weiter keine genauen Angaben dazu machen. Resultat: keine weiteren Schritte, keine weitere Unterstützung für das Opfer und die Barriere könnte noch dazu für das Opfer bei weiteren Übergriffen noch höher sein, da das Gefühl der Hilfslosigkeit weiter steigt.

Daher ist das Erkennen von spezifischen Verletzungsmerkmalen wichtig, um hier zielgerichtet agieren und in weiterer Folge auch die Spuren sichern zu können. Viele Opfer entscheiden sich erst mit zeitlichem Abstand zu einer Strafverfolgung – die gesicherten Spuren können dann verwendet werden.

Nicht zu unterschätzen ist die Bedeutung für Kinder, die Opfer von Gewalt wurden. Im Bedarfsfall erfolgt auch bei unklaren Situationen bei einer vermuteten Kindeswohlgefährdung eine Meldung an die Kinder- und Jugendhilfe, welche weitere Schritte zur Abklärung und gegebenenfalls notwendigen Interventionen setzt.

Essentiell für all dies ist eine stetige Fort- und Weiterbildung zu dieser Thematik.
Gewaltschutzzentrum, andere Opferschutzeinrichtungen und die Polizei sind daher regelmäßig zu den Treffen der Gruppen eingeladen, um fachliche Inputs zu bringen. Auch NEUSTART als Täter:innenarbeitsorganisation leistet hier einen Beitrag.

So wurde ich zuletzt eingeladen, in Vorträgen Bezug zur opferschutzorientierten Täter:innenarbeit, Täter:innentypologien, Interventionsmöglichkeiten bei Gewaltdynamiken und sicherheitspolizeilichen Fallkonferenzen zu nehmen.
Das Wissen darüber, dass auch mit Täter:innen gearbeitet wird und wie dies erfolgt, stellt eine wichtige Information für die Professionalist:innen im ganzheitlichen Gewaltschutz dar. Einerseits unterstützt es potentiell Situationseinschätzungen und andererseits kann den Opfern ein besserer Überblick darüber gegeben werden, welche Schritte in Folge auch mit Täter:innen erfolgen.

Wir möchten den engagierten Mitarbeiter:innen der Opferschutzgruppen jedenfalls für ihr Engagement, ihr Interesse und ihre herausfordernde Tätigkeit unseren Dank aussprechen!

Über die/den Autor:in

Leiter von NEUSTART Niederösterreich und Burgenland seit 2017. Zuvor Abteilungsleiter und Sozialarbeiter, im Schwerpunkt tätig in der Bewährungshilfe, Haftentlassenenhilfe und Anti-Gewalt-Training.
Nebenberuflicher Lektor an der der FH St. Pölten für „Devianz und Strafrecht“. Referent für Gewaltarbeit und (De-)Radikalisierung.
Vor NEUSTART als Flüchtlingsberater, Outplacer und Schulsozialarbeiter beschäftigt.

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