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Mädchen-Tag: Ihr werdet gelesen

Wie sich Mädchen kleiden, ist Gegenstand breiter Diskussionen und manifestiert sich an Kopftüchern und bauchfreien Tops. Die Personen, die sich für oder gegen das eine oder andere „Piece“ entscheiden, kommen dabei nicht zu Wort (außer das Thema des Schulaufsatzes ist wie jedes Jahr das Pro & Contra zur Schuluniform…).

Wer sind diese Mädchen!?

Welchen Sinn hat ein internationaler Mädchen-Tag am 11. Oktober, wenn mensch davon ausgeht, dass das soziale Geschlecht nur ein Konstrukt ist? Wenn es der Überzeugung ist, dass Geschlechteridentitäten sich auf einem Kontinuum bewegen und ein Konzept wie „Weiblichkeit“ laufend inszeniert und (re)produziert wird. Die eigentliche Frage ist ja, ob die Natur uns zwei eindeutige Geschlechter vorgibt, oder ob auch dieses binäre System menschengemacht – also ein Konstrukt – ist. Dann geht es eben nicht darum, welches Geschlecht eine Person „hat“, sondern welches die Person für sich einnimmt. Und wie die Person von anderen wahrgenommen wird. Dazu hat sich die Aussage etabliert „Jemand wird als Frau/als Mann gelesen“. Oder eben als Mädchen. Die „Gender Studies“ kennen schon lange das Konzept des „Doing Gender“ – platt gesagt: „Was muss mensch tun, um als weiblich oder männlich wahrgenommen zu werden?“ Und spätestens hier hört die Theorie und damit der Spaß auf. Denn: Der Rahmen für „Mädchen“ ist klar begrenzt. Die Themenfelder, in denen sie beurteilt und gemaßregelt werden, sind klar weiblich: das Aussehen, das Ausleben von Sexualität, der Haushalt…

Kontrolle des Aussehens und der Kleidung als strukturelle Gewalt

Evan Stark beschreibt die Kontrolle des Aussehens und der Kleidung als einen Ausdruck von „Coercive Control“ an Frauen in Gewaltbeziehungen. Dabei ist es egal, welcher Kleidungsstil vorgeschrieben wird, entscheidend ist, dass er vorgeschrieben wird. Was sich in individuellen Gewaltbeziehungen ablesen lässt, ist oft Ausdruck oder eine Extremform von struktureller Gewalt gegen Frauen. Und ein Mädchenleben bleibt davon nicht unberührt.

Schritt 1: Raus aus der Hausarbeit!

Ein weiterer Schauplatz von „Doing Femininity“ ist der Haushalt. Und auch da sind Mädchen vorne mit dabei: UNICEF rechnet vor, dass Mädchen im Alter von fünf bis neun Jahren bereits 30 % mehr Hauarbeit verrichten als Burschen in diesem Alter. Und das wird mit den Jahren noch gravierender: In der Altersgruppe von zehn bis 14 Jahren machen Mädchen doppelt so viele Arbeiten rund um den Haushalt wie Burschen. UNICEF rechnet vor: Mädchen zwischen fünf und 14 Jahren leisten 160 Millionen Stunden unbezahlte Care- und Haushalts-Arbeit mehr als Jungen – und zwar jeden Tag!

Die 1%-Methode glaubt an die maximale Wirkung minimaler Veränderungen. Daran, dass man Ziele am besten erreicht, indem man jeden Tag ein bisschen besser wird. Neuen Gewohnheiten sei Dank. In diesem Sinne bietet sich am Mädchen-Tag (wie an jedem weiteren Tag) eine Entlastung von Mädchen an. Denn: Der 11. Oktober ist auch der „It’s My Party“-Tag und wie wir schon seit 1983 wissen: „Girls Just Want to Have Fun”

Literaturtipp: Mädchen, Junge, Kind. Geschlechtersensible Begleitung und Empowerment von klein auf

Über die/den Autor:in

In der Leitung Sozialarbeit zuständig für den Themenkomplex häusliche Gewalt, die Gewaltpräventionsberatung, den elektronisch überwachten Hausarrest, die Prozessbegleitung und den Saftladen.

Nebenberuflich Lektorin an der Sigmund-Freud-Universität und Trainerin, unter anderem in der Fortbildung zur juristischen Prozessbegleitung.
Vor NEUSTART wissenschaftlich und im Opferschutz tätig.

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