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„Ich weiß, wo du letzten Montag gewesen bist“ – Was ist stalking?

„Ich hab‘ dich gestalkt.“ Ein Geständnis? Oder doch eher eine Rückmeldung, dass die Person interessant ist und mensch im Internet recherchiert hat, um noch das eine oder andere herauszufinden? Stalking ist ein ungenauer Begriff, und wird in der Jugendsprache anders verwendet als in der Arbeit mit (potentiellen) Täter:innen oder Betroffenen.

Strafrechtliche Definition

Soll ein Verhalten strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, muss es in einem Rechtsstaat eindeutiger definiert sein. Im österreichischen Strafgesetzbuch ist das dann § 107 a Strafgesetzbuch als „Beharrliche Verfolgung“. Und natürlich in § 107b als „Fortdauernde Belästigung im Wege einer Telekommunikation oder eines Computersystems“. Denn Stalking ist nicht mehr ausschließlich das Auflauern auf dem Heimweg und die ungewollten Blumen und Liebesbriefe vor der Haustüre, sondern auch Bloßstellungen auf Social Media und laufendes „Zumüllen“ mit Textnachrichten.   

Eine EU-Studie zu „Gewalt gegen Frauen“ aus dem Jahr 2014 erhob Daten aus 28 europäischen Ländern und kam zu folgendem Ergebnis:

  • Jede fünfte Frau hat seit dem Alter von 15 Jahren eine Form des Stalkings erlebt.
  • Innerhalb der letzten 12 Monate vor der Erhebung erlebten es 5 %.
  • In drei von vier in der Erhebung angegebene Stalking-Vorfälle wurden diese der Polizei nie bekannt.
  • Jede zehnte Frau wird von einem früheren Partner/ einer früheren Partnerin nachgestellt („gestalkt“).
  • Jede fünfte Frau, der nachgestellt wurde, gab an, dass das Stalking länger als zwei Jahre andauerte.
  • Von den Stalking-Opfern haben 23 % in der Erhebung angegeben, dass sie ihre E-Mail-Adresse oder Telefonnummer infolge des schlimmsten Falls von Stalking wechseln mussten.

wer sind die stalker:innen?

Im einem dreitägigen Workshop setzten sich Mitarbeiter:innen von NEUSTART gemeinsam mit dem Psychotherapeuten Christoph Muuß mit dem Thema auseinander.     

In der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Phänomen werden etwa Gruppen von Stalker:innen gebildet, um auf die unterschiedlichen Beweggründe hinzuweisen, von denen die Personen „angetrieben“ werden. Dabei soll es nicht um ein „Labeling“ gehen und selbstverständlich, begegnen uns bei NEUSTART keine „lupenreinen Typen“. Dennoch verspricht die Auseinandersetzung mit einer Typologie Erkenntnisgewinn. 

Die folgenden Tätertypen beruhen auf der Forschungsarbeit von Paul E. Mullen, Michael Pathé und Rosemary Purcell und gelten als die gängigsten Stalker:innen-Typologien:

Der:die zurückgewiesene Stalker:in („Rejected Stalker“)

  • In aller Regel verfolgt dieser Täter:innentyp eine:n ehemaligen Intimpartner:in. Das Ziel ist, die Beziehung wieder herzustellen oder sich zu rächen. In manchen Fällen fallen beide Motive auch zusammen. Der Sinn des Stalkings ist es Kontakt mit dem Opfer herzustellen, selbst wenn dieser Kontakt nur darin besteht das Opfer zu quälen.

Der:die ärgerliche/wütende Stalker:in („Resentful Stalker“)

  • Dieser Täter:innentyp möchte sein Opfer quälen und ihm Angst machen. Das Stalking dient dem Zweck der Vergeltung. Täter:innen sind der festen Überzeugung, dass das Opfer ihnen ein Unrecht angetan hat und möchte sich hierfür rächen.

Der:die Intimität begehrende Stalker („Intimacy Seeker“)

  • Dieser Typ Stalker:in versucht eine Beziehung mit seinem „Traumpartner:in“ zu erreichen. Sie lassen von ihrem Opfer nicht ab, egal wie dieses auf die Annäherungsversuche reagiert. In diesem Zusammenhang spricht man auch oft von Liebeswahn/Erotomanie Stalkern.

Der:die inkompetente Verehrer:In („Incompetent Suitors“)

  • Diese Stalker:innen bilden sich ein, einen Anspruch auf das „Objekt ihrer Begierde“ zu haben und drängen sich ihrem Opfer gerade zu auf. Bei diesem Stalker:innentyp bringen gerichtliche Sanktionen einen schnellen Erfolg, allerdings suchen sie sich auch schnell neue Opfer.

Der räuberische/habgierige Stalker („Predatory Stalker“)

  • Hierbei handelt es sich wohl um die kleinste Gruppe der Stalker. Die Täter in diesem Fall sind fast immer männlich und das Stalking dient als Vorbereitung für einen, meist sexuellen, Übergriff.

Im Sinne der opferschutzorientierten Täter:innen und Täterarbeit liegt der Fokus klar auf der Erhöhung der Sicherheit und der Lebensqualität der Betroffenen. Stalker:innen werden dabei unterstützt, Grenzen zu erkennen und zu wahren.  

Über die/den Autor:in

In der Leitung Sozialarbeit zuständig für den Themenkomplex häusliche Gewalt, die Gewaltpräventionsberatung, den elektronisch überwachten Hausarrest, die Prozessbegleitung und den Saftladen.

Nebenberuflich Lektorin an der Sigmund-Freud-Universität und Trainerin, unter anderem in der Fortbildung zur juristischen Prozessbegleitung.
Vor NEUSTART wissenschaftlich und im Opferschutz tätig.

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