„Du hast Hausarrest!“ – Was zunächst nach einem strengen elterlichen Verbot aus Zeiten der schwarzen Pädagogik klingt, ist für viele Straftäter:innen eine echte Chance. Denn wer seine Freiheitsstrafe im elektronisch überwachten Hausarrest verbüßen darf, bleibt nicht hinter Gefängnismauern, sondern kann unter strengen Auflagen im gewohnten Umfeld bleiben. Die Betroffenen behalten ihre Wohnung, ihre Arbeit und ihre sozialen Kontakte – beste Voraussetzungen für eine gelingende Resozialisierung. Und genau das ist das Ziel jeder Freiheitsstrafe.
Seit 1. September 2025 ist diese Möglichkeit ausgeweitet: Nun können auch Freiheitsstrafen von bis zu 24 Monaten im elektronisch überwachten Hausarrest verbüßt werden. Bisher lag die Grenze bei zwölf Monaten.
Wer kann die Fußfessel beantragen?
Nicht alle Straftäter:innen kommen für den elektronisch überwachten Hausarrest infrage. Der Hausarrest kann beantragt werden, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind:
- Eine geeignete Unterkunft ist vorhanden
- Eine Beschäftigung wird ausgeübt
- Eine aufrechte Sozialversicherung liegt vor
- Alle Mitbewohnenden stimmen zu
- Es gibt eine günstige Prognose
Strenger sind die Voraussetzungen bei bestimmten Deliktsgruppen, beispielsweise bei Verurteilungen wegen Delikten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und Integrität.
Klare Struktur statt freier Zeit
Auch wenn die Person nicht im Gefängnis sitzt, ist der Hausarrest keineswegs Freiheit. Der Tagesablauf ist streng geregelt: Es gibt genaue Vorgaben, wann sich die verurteilte Person wo aufzuhalten hat. Arbeit zählt zur sogenannten „Musszeit“ – hier wird kontrolliert, ob die Person pünktlich an ihrem Arbeitsplatz erscheint. Für den täglichen Aufenthalt im Freien gibt es definierte „Kannzeiten“. Ein Spaziergang im Park? Möglich, aber nur in einem festen Zeitfenster. Freie Zeiteinteilung gibt es nicht – und Abweichungen müssen der Überwachungszentrale gemeldet werden. Wird gegen die Regeln des Hausarrests verstoßen, wird die Strafe in einer Justizanstalt weiter vollzogen.
Begleitet in ein straffreies Leben
Für NEUSTART ist der elektronisch überwachte Hausarrest eine wertvolle Alternative zum Strafvollzug in einer Justizanstalt. Die Zeit im Hausarrest ist mehr als bloß eine Strafe – sie ist auch eine Phase intensiver Betreuung. Gemeinsam mit den Klient:innen werden die begangenen Delikte reflektiert und alternative Handlungsmöglichkeiten entwickelt. Ziel ist klar: Es darf kein nächstes Mal geben.
Und der Erfolg gibt diesem Modell recht: Drei Jahre nach Ende der Fußfesselstrafe sind rund 90 % der ehemaligen Träger:innen nicht erneut straffällig geworden.
Die Vorteile liegen auf der Hand, und die technischen Möglichkeiten eröffnen neue Perspektiven für einen gänzlich anderen Einsatz der Fußfessel. In mehreren europäischen Staaten wird sie bereits erfolgreich genutzt, um Betroffene häuslicher Gewalt wirksam zu schützen.
Fußfessel zum Schutz vor Gewalt – eine sinnvolle Maßnahme?
Die sogenannte „Fußfessel nach dem spanischen Modell“ wird in Österreich aktuell intensiv in Fachkreisen diskutiert – als mögliches Instrument zum Schutz von Menschen, die von Gewalt bedroht oder betroffen sind. Noch handelt es sich um Zukunftsmusik, doch das Interesse ist groß. Die Idee dahinter: potenzielle Gewalttäter:innen sollen durch elektronische Überwachung davon abgehalten werden, sich ihren (Ex-)Partner:innen oder anderen gefährdeten Personen zu nähern.
Schutz durch Abstand – technisch überwacht
Vereinfacht gesagt geht es bei diesem Modell um die Definition und Kontrolle von Schutzräumen. Konkret bedeutet das: Gewalttäter:innen dürfen bestimmte Orte nicht betreten – etwa den Wohnort, den Arbeitsplatz oder den Aufenthaltsbereich der betroffenen Person. Bei einem Verstoß wird automatisch ein Alarm ausgelöst, und die Polizei kann sofort reagieren. Ziel ist es, Gewalt zu verhindern, bevor sie passiert.
Ob und wie dieses Modell in Österreich umgesetzt werden kann, wird derzeit geprüft. Klar ist aber bereits jetzt: Die Rahmenbedingungen unterscheiden sich deutlich von denen in Spanien und müssen genau auf das österreichische Rechtssystem abgestimmt werden.
Was NEUSTART wichtig ist
Für NEUSTART sind bei der Diskussion um die Schutz-Fußfessel folgende Grundsätze zentral:
- Rechtsstaatlichkeit: Eine solch tiefgreifende Freiheitsbeschränkung darf nur auf richterlicher Anordnung erfolgen.
- Freiwilligkeit: Die Zustimmung der gewaltbetroffenen Person zur Maßnahme ist unerlässlich.
- Ergänzung statt Ersatz: Bereits bestehende Schutzmaßnahmen wie Betretungs- und Annäherungsverbote oder Untersuchungshaft dürfen dadurch nicht ausgehöhlt oder ersetzt werden.
- Verhältnismäßigkeit: Jede Maßnahme muss sorgfältig abgewogen werden. Der größtmögliche Schutz soll mit dem geringstmöglichen Eingriff in die Rechte der Gefährder:innen einhergehen.
Technik allein reicht nicht
So sinnvoll die Fußfessel als technisches Schutzmittel auch sein kann – sie ist kein Allheilmittel. Sie funktioniert nur dann wirksam, wenn sie Teil eines umfassenden Schutz- und Betreuungskonzepts ist.
Das bedeutet:
- Gewaltbetroffene brauchen engmaschige Begleitung, idealerweise mit rund um die Uhr erreichbaren Ansprechpersonen.
- Gefährder:innen müssen sich aktiv mit ihrer Gewaltbereitschaft und dem eigenen Verhalten auseinandersetzen. Ohne eine intensive sozialarbeiterische Aufarbeitung greift die Maßnahme zu kurz.
Der Einsatz von Fußfesseln zum Schutz vor Gewalt ist eine komplexe, aber vielversprechende Maßnahme. Sie kann helfen, Leben zu schützen – vorausgesetzt, sie wird mit Bedacht, rechtsstaatlicher Grundlage und als Teil eines umfassenden Interventionssystems eingesetzt. Für NEUSTART ist klar: Technische Lösungen können wichtige Bausteine sein, ersetzen aber nicht die persönliche Begleitung und den Dialog mit allen Beteiligten.