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2.19 Menschen ohne österreichischer Staatsbürgerschaft im Strafvollzug

Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft stellen einen seit Ende der 1980er-Jahre stark wachsenden Anteil an der Gefängnispopulation dar (von 7 % in den 1980er-Jahren auf rund 55 % im Jahr 2018 gestiegen und danach wieder auf rund 50 % im Jahr 2022 zurückgegangen). Auf diese grundlegende Änderung der Insass:innenpopulation muss der Strafvollzug adäquat reagieren.

Vorschläge
  • Flächendeckende Information und Beratung für Insassinnen und Insassen zu ihrem fremdenrechtlichen Status und Perspektivenklärung möglichst „von Beginn an“.
  • Bestmögliche Berücksichtigung des fremdenrechtlichen Status im Vollzugsplan und bei sämtlichen vollzugsrelevanten Entscheidungen.
  • Abbau der Sprachbarrieren in Haft insbesondere durch flächendeckendes Angebot an Deutschkursen.
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Verurteilte mit nicht-österreichischer Staatsbürgerschaft erhalten im Strafvollzug seltener Ausgänge und Vollzugserleichterungen. Der Anteil an bedingten Entlassungen ist aufgrund fehlender Perspektiven und der damit verbundenen erschwerten Wohlverhaltensprognose nach Haft geringer als bei österreichischen Staatsangehörigen. Informations- und Beratungsmöglichkeiten einschließlich einer Ausweitung sprachlicher Unterstützungen würden die Position und Fähigkeiten der Betroffenen stärken. Eine möglichst frühe genaue Klärung des Aufenthaltsstatus ist wegen der für Vollzugsentscheidungen verbundenen Auswirkungen wichtig. Der Aufenthaltsstatus ist insbesondere relevant für eine spezialpräventive Prognose bei Entscheidungen über Ausgänge, Vollzugserleichterungen und bedingte Entlassung.

Insass:innen mit nicht-österreichischer Staatsbürgerschaft sollten als Standard flächendeckend bereits „von Beginn an“ Beratung und Information hinsichtlich ihres speziellen fremdenrechtlichen Status erhalten, damit Perspektiven in und nach der Haft besser erkannt und genützt werden können. Eine solche Beratung erfolgt im Vollzug oftmals erst zu einem späteren Zeitpunkt, manchmal erst anlässlich eines aufenthaltsbeendenden Verfahrens oder vor einer Abschiebung.
Wichtig ist eine genaue Differenzierung des „ungeklärten beziehungsweise illegalen Aufenthaltsstatus“. Dieser kann sich in unterschiedlichen Ausprägungen und Auswirkungen manifestieren. So macht es beispielsweise einen Unterschied, ob jemand über eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung mit Einreiseverbot verfügt oder den Antrag auf Verlängerung seines Aufenthaltstitels nicht fristgerecht eingebracht hat und (trotzdem) aufgrund der langen Aufenthaltsdauer und Integration voraussichtlich in Österreich bleiben könnte.

Eine beim Verwaltungs- oder Verfassungsgerichtshof anhängige Revision bzw. Beschwerde, für die aufschiebenden Wirkung zuerkannt wurde, bewirkt zwar keinen rechtmäßigen Aufenthalt; Betroffene könnten jedoch die Entscheidung im Inland abwarten.

Eine möglichst frühe Klärung der fremdenrechtlichen Position und genaue Differenzierung des Aufenthaltsstatus sowie der Perspektiven könnte nicht nur den individuellen Bedürfnissen von Inhaftierten besser gerecht werden, sondern ist auch für die Einschätzung und Prognose im Zusammenhang mit vollzugsrelevanten Entscheidungen von Bedeutung.

Sprachbarrieren und Informationsdefizite verhindern eine Erfüllung resozialisierender Strafvollzugszwecke. Sie sind daher so weit wie möglich zu beseitigen; etwa durch Sprachkurse, durch mehrsprachige Informationsblätter und Antragsformulare sowie durch den Einsatz von Dolmetscher:innen. Wünschenswert wäre auch eine verstärkte gezielte Aufnahme von Personal mit Sprachkompetenzen und Migrationshintergrund.