Im Juni 2014 hatte der Bundesminister für Justiz eine Arbeitsgruppe zur Reform des Maßnahmenvollzugs eingesetzt. Seit Ende Jänner 2015 liegt der Abschlussbericht der Arbeitsgruppe vor (BMJ-V70301/0061-III 1/2014; Arbeitsgruppe Maßnahmenvollzug Bericht an den Bundesminister für Justiz über die erzielten Ergebnisse). Nach jahrelangen Vorarbeiten wurde im Dezember 2022 – als erster Teil einer geplanten Gesamtreform – das Maßnahmenvollzugsanpassungsgesetz 2022 beschlossen und kundgemacht.
Vorschläge
- Der geplante (und legistisch bereits vorbereitete) zweite Teil der Maßnahmenvollzugsreform (insbesondere angepasste Regelungen für die bedingte Entlassung und spezielle Vollzugsregelungen) soll so bald als möglich umgesetzt werden.
- Die Maßnahmenvollzugsreform soll evaluiert werden.
- Ein qualitativer und quantitativer Ausbau der Nachbetreuungseinrichtungen soll zeitnah so erfolgen, dass bundesweit ein ausreichendes Angebot vorhanden ist.
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Mit dem Maßnahmenvollzugsanpassungsgesetz 2022 wurden bereits wichtige Akzente gesetzt, die einem grundrechtlich gebotenen Abstandsgebot entsprechen. So wurden die Unterbringungsvoraussetzungen insbesondere dahingehend konkretisiert, dass eine bestimmte Prognosetat mit hoher Wahrscheinlichkeit, in absehbarer Zeit und unter dem maßgeblichen Einfluss der psychischen Störung zu befürchten sein muss. Das neu gestaltete Unterbringungsverfahren ist darauf ausgelegt, dass von Anfang an und von allen Akteur:innen sämtliche Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um von einer allenfalls erforderlichen Unterbringung vorläufig absehen zu können. Während eines vorläufigen Absehens vom Vollzug einer Unterbringung können Bedingungen flexibel an die jeweils erforderliche Gefahrenvorbeugung angepasst werden. Mit der neuen Krisenintervention haben die Gerichte ein Instrument, um sofort und wirksam auf eine akute Gefahrensituation reagieren zu können, ohne einen Widerruf aussprechen zu müssen.
Diese Möglichkeiten bestehen seit 1. März 2023 für das vorläufige Absehen vom Vollzug einer Unterbringung (früher bedingte Nachsicht). Sie bestehen aber noch immer nicht für all jene Personen, die aus einer Maßnahmenunterbringung bedingt entlassen wurden oder werden. Dieser unbefriedigende Zustand soll durch Umsetzung des fehlenden zweiten Teiles der Maßnahmenreform so bald als möglich beendet werden. Ebenso drängend ist es, ein eigenes Maßnahmenvollzugsgesetz zu schaffen, das die Umsetzung der Prinzipien des grundrechtlich vorgegebenen Abstandsgebotes (Trennungsgebot, Intensivierungsgebot, Individualisierungsgebot, Motivierungsgebot, Minimierungsgebot) sowie einen Rechtschutz analog dem Unterbringungsgesetz garantiert.
In der Regierungsvorlage zum Maßnahmenvollzugsanpassungsgesetz 2022 ist das Vorhaben einer Evaluierung spätestens 5 Jahre nach in Kraft treten festgehalten. Dieses Vorhaben soll umgesetzt und zum Anlass genommen werden, auch jene Vorschläge der Arbeitsgruppe Maßnahmenvollzug neu zu bewerten, die nicht umgesetzt wurden. Das betrifft insbesondere den Vorschlag eines Vollzugs von Unterbringungen nach § 21 Abs. 1 StGB im Gesundheitssystem sowie einer Beschränkung der strafrechtlichen Unterbringung auf Anlasstaten im Verbrechensbereich.