Ausweitung der bedingten Entlassung

Bedingte Entlassungen verringern nicht nur die Haftzeiten, sondern bieten auch wichtige Betreuungs- und Kontrollmöglichkeiten, wodurch das Rückfallsrisiko deutlich reduziert wird. Trotzdem werden mehr Strafgefangene erst mit Strafende, als davor bedingt entlassen. Eine maßgebliche Ausweitung der bedingten Entlassung ist zu fordern.

Vorschläge
  • bedingte Entlassung auch für Erwachsene bereits nach einem Monat Freiheitsstrafe;
  • Forcierung des elektronisch überwachten Hausarrests ab einem Jahr vor Erreichen der Hälfte der zeitlichen Freiheitsstrafe;
  • zwingende bedingte Entlassung nach fünf Sechstel der Strafzeit, wenn nicht eine bessere spezialpräventive Prognose nach Vollverbüßung anzunehmen ist
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2006 wurde bei einer vom Justizministerium durchgeführten internationalen Expert:innentagung darauf hingewiesen, dass die Berücksichtigung generalpräventiver Aspekte bei der Prüfung der bedingten Entlassung eine europäische Ausnahme darstellt. Mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2008 wurde die Berücksichtigung generalpräventiver Bedenken eingeschränkt und durch Artikel 25 (Änderung des Strafvollzugsgesetzes) Budgetbegleitgesetz 2025 entfällt ab 1. Jänner 2026 die Generalprävention vollständig als Kriterium für eine bedingte Entlassung. Dadurch wurde eine langjährige kriminalpolitische Forderung von NEUSTART erfüllt und es ist nun abzuwarten, welche Auswirkungen das in der Entscheidungspraxis haben wird..

Von den mit Strafurteil inhaftierten Personen wurden im Jahr 2023 38,6 Prozent erst mit Strafende und 42,2 Prozent bedingt entlassen (siehe Sicherheitsbericht 2023; Bericht über die Tätigkeit der Strafjustiz Seite 200). Für die restlichen rund 19 Prozent der Strafgefangenen endete die Haft aus anderen Gründen (etwa vorläufiges Absehen vom Strafvollzug wegen Einreise- oder Aufenthaltsverbot, Strafaufschub nach § 39 SMG, Ausweisung, Zahlung einer Reststrafe, Begnadigung, oder Sonstiges). Die seit 2007 veröffentlichte Wiederverurteilungsstatistik belegt regelmäßig, dass sich die Wiederverurteilungsraten maßgeblich nach dem Modus der Entlassung unterscheiden (siehe Sicherheitsbericht 2023; Bericht über die Tätigkeit der Strafjustiz Seiten 249 ff). So wurden von allen im Jahr 2019 zum Strafende (unbedingt) entlassenen Personen (2.164 Personen) 44,3 Prozent innerhalb von vier Jahren wieder verurteilt. Von allen im Jahr 2019 bedingt entlassenen Personen (1.690 Personen) wurden jedoch nur 27,8 Prozent innerhalb von vier Jahren wieder verurteilt. Dieser markante Unterschied in der Wiederverurteilungsrate ist vermutlich – wenn auch nicht als einziger Faktor – auch auf bessere rückfallsverhindernde Wirkungen bedingter Entlassungen zurückzuführen.

Ab Verbüßung der Hälfte der festgesetzten Freiheitsstrafe hat eine bedingte Entlassung entsprechend den gesetzlichen Vorgaben in § 46 Abs. 1 StGB zu erfolgen, sobald anzunehmen ist, dass die bedingte Entlassung unter Berücksichtigung  der Wirkung von Bewährungshilfe und Weisungen spezialpräventiv zumindest gleich wirksam ist, wie das ein weiterer Strafvollzug nach Entlassung wäre. Wesentliche Entscheidungsrelevanz kommt dabei psychosozialer Fachexpertise zu. Eine langjährige Forderung von NEUSTART war daher eine verpflichtende Einbeziehung psychosozialer Expertise durch Stellungnahmen einer (im Erwachsenenbereich erst zu etablierenden) Gerichtshilfe oder nach § 15 Bewährungshilfegesetz. Ab 1. Jänner haben nun alle Entscheidungen über eine bedingte Entlassung aus einer mehr als 3-jährigen Freiheitsstrafe durch Richtersenate bestehend aus einer:einem Berufsrichter:in und 2 Laienrichter:innen zu erfolgen (Artikel 25 Budgetbegleitgesetz 2025). Dadurch werden erstmals Bewährungshelfer:innen über bedingte Entlassungen mitentscheiden. Der Gesetzgeber hat damit sowohl die fachliche Kompetenz der Bewährungshelfer:innen, als auch die Bedeutung psychosozialer Expertise anerkannt. Für weitere kriminalpolitische Bewertungen  sind nun Erfahrungen in der und Auswirkungen auf die Entscheidungspraxis abzuwarten.

Eine bedingte Entlassung sollte auch für Erwachsene ab einem Monat Freiheitsstrafe möglich sein. Ein Freiheitsstrafvollzug von mehr als einem Monat Dauer bewirkt meist den Verlust von Wohnung und Arbeitsplatz. Diesen destabilisierenden Faktoren stehen kaum resozialisierungsfördernde Initiativen in der Haft gegenüber.

Die konsequente Ausweitung des elektronisch überwachten Hausarrests (eüH) in der Backdoor-Variante, ab dem derzeit frühest möglichen Zeitpunkt (ein Jahr vor dem zur „Halbstrafe“ möglichen Entlassungstermin) würde die Wahrscheinlichkeit für eine gelungene Resozialisierung deutlich erhöhen. Vorschläge dazu sind auch im Kapitel „Ausweitung des elektronisch überwachten Hausarrests“ enthalten.