#TeamNEUSTART: Marlene Dumanski-Kamarynt

Marlene Dumanski-Kamarynt ist schon seit sechs Jahren ehrenamtliche Bewährungshelferin. In dieser Zeit konnte sie alle Sorgen und Bedenken, die ihr Umfeld anfangs hatte, aus der Welt räumen…

Bitte stell dich kurz vor. In welcher Region und seit wann engagierst du dich als ehrenamtliche Bewährungshelferin?
Also, wo fangen wir an? Meinen Namen kennst du ja (lacht). Ich bin 33 Jahre alt, verheiratet und habe zwei Söhne. Ich bin seit 2018 bei NEUSTART, mit einer kurzen Unterbrechung durch meine Karenz. Wobei ich nach einem dreiviertel Jahr recht schnell wieder eingestiegen bin. Ich bin Teil des Teams „Föhrenwald“ in Wiener Neustadt.

Warum hast du dich für dieses Ehrenamt entschieden? Was gefällt dir daran am besten?
Warum? Mein Gott, das ist schon so lange her… Dieses Tätigkeitsfeld ist einfach mega spannend und wichtig. Es wäre echt schade, wenn es die Bewährungshilfe nicht gäbe. So viele Leute würden einfach auf der Strecke bleiben. Es ist einfach ein gutes Unterstützungsangebot – auch wenn das nicht alle Klient:innen so sehen können. Die Bewährungshilfe eröffnet so viele Möglichkeiten, so viele Perspektiven. Ich bin absolut überzeugt von zweiten Chancen… also wirklich ein großer Fan davon (lacht). Ich finde es toll, wenn meine Klient:innen beginnen zu verstehen, worum es geht und wenn durch diese Einsicht etwas verändert wird. Wenn sie andere Wege finden, mit schwierigen Dingen umzugehen.

Und was machst du hauptberuflich?
Momentan bin ich in Bildungskarenz und mache eine Ausbildung zur psychosozialen Beraterin. Ursprünglich komme ich aus der Gastronomie und habe eine einjährige Ausbildung zur Berufspädagogin gemacht, durch die ich zur Bewährungshilfe gefunden habe. Nach dieser Ausbildung habe ich zwei Jahre lang in einem Kindergarten als Stützkraft gearbeitet.

Wie ergänzen sich dein Ehrenamt und deine Ausbildung gegenseitig? Profitiert das eine vielleicht sogar vom anderen?
Auf jeden Fall. Ich habe durch die Bewährungshilfe schon so viel gelernt, das mir dabei zu Gute kommt und konnte mich durch das Ehrenamt – besonders durch die Unterstützung meiner Teamleiterin – so viel weiterentwickeln. Wann immer ich es sinnvoll finde, teile ich in der Ausbildung auch gerne meine Erfahrungen aus der Bewährungshilfe – natürlich vollkommen anonymisiert.

Was sagt dein Umfeld dazu, dass du ehrenamtliche Bewährungshelferin bist? Welche Rückmeldungen bekommst du, wenn du davon erzählst?
Anfangs hat sich meine Familie Sorgen gemacht und gefragt, ob ich mich eh nicht ganz alleine mit Klient:innen treffe etc. Nach inzwischen sechs Jahren, gehört mein Ehrenamt aber quasi zu mir dazu. Es gab in dieser gesamten Zeit keinen einzigen kritischen Vorfall. Die Jahre und meine Erfahrung konnten also alle Sorgen ausmerzen.

Wie viele Klient:innen begleitest du derzeit?
Derzeit nur drei, weil ich aufgrund meines Umzugs aber aktuell auch weniger Ressourcen hatte. In Zukunft geht sich hoffentlich wieder mehr aus.

Gibt es Klient:innen-Typen mit denen du besonders gerne und konstruktiv arbeitest? Also liegen dir bestimmte demografische Gruppen oder Delikt-Arten mehr als andere?
Nein, eigentlich nicht. Ich bin da wirklich total offen. Delikte, die ich ablehnen würde, sind ohnehin nicht für die ehrenamtliche Bewährungshilfe vorgesehen – etwa Sexualstraftaten.

Gibt es so etwas wie eine typische Betreuungssituation? Wie laufen die Termine mit deinen Klient:innen ab?
Sehr unterschiedlich, es kommt ganz auf die:den Klient:in an. Ich hatte Klient:innen, die von Anfang an sehr offen waren und andere, die drei Stunden lang nur das Gleiche erzählt haben. Das Hauptziel ist zuerst immer, eine Vertrauensbasis zu schaffen und den Zwangskontext aufzulösen, erst danach können wir am Delikt arbeiten und da sind alle Klient:innen anders. Früher habe ich mich tatsächlich öfter auch draußen oder im Café mit ihnen getroffen, inzwischen mache ich die Termine nur noch im Büro, das erleichtert mir einfach das Protokollieren und ergänzt sich gut mit meiner Bildungskarenz, weil ich oft am Vormittag Zeit habe, wo immer jemand im Büro ist. Vor meinem Umzug war das schwieriger, damals war ich in Mödling tätig, wo NEUSTART keine Büroräumlichkeiten hat. Ich mache nur eine einzige Ausnahme: Es gibt einen Klienten, den ich schon seit drei Jahren begleite, mit dem ich im Sommer immer ein Eis essen gehe – das hat sich so ergeben und ist inzwischen unsere Tradition (lacht).

Was sind die größten Herausforderungen in der Arbeit mit Straffälligen?
Puh… schwierig. Ich würde sagen die Verantwortungsübernahme, also quasi diese „Ich kann ja nichts dafür“-Haltung aufzulösen. Das finde ich persönlich wahrscheinlich deswegen so herausfordernd, weil ich mich selbst als sehr verantwortungsvolle Person wahrnehme. Die teilweise phantasievollen Ausreden meiner Klient:innen, sind für mich wirklich schwer nachvollziehbar. Besonders in Bezug auf Sucht, ist das oft ein Problem. Schwierig ist auch, wenn die Beeinträchtigung durch Drogen schon sehr fortgeschritten ist und die Gesprächsführung dadurch erschwert wird.

Woran merkst du ganz konkret, dass deine ehrenamtliche Arbeit etwas bewirkt?
Durch die Rückmeldungen meiner Klient:innen, wenn sie mir erzählen, dass sie Konflikte besser gelöst haben oder dass sie Versuchungen, etwa durch Drogen, widerstehen konnten. Kurz: Wenn sie es schaffen, umzusetzen was wir erarbeitet haben. Oft ist es wirklich so, dass sie „AHA“-Erlebnisse haben und plötzlich Dinge verstehen, die sie vorher überhaupt nicht erfassen konnten. Das merkt man dann einfach, ich weiß gar nicht, wie ich das anders formulieren soll…

Wie findest du persönlich Ausgleich zu deinem Job und Ehrenamt? Was machst du in deiner Freizeit?
Derzeit habe ich tatsächlich nur wenig Freizeit neben der Bildungskarenz, meinem Ehrenamt und meinen Kindern. Nebenbei bin ich auch noch selbstständig und nähe Armbänder für Kinder aus Naturmaterialien, was auch viel Zeit in Anspruch nimmt. Ich mache gerne Spaziergänge im Wald mit meinem Hund. Das ist wirklich mein Ding, abseits von Lärm und Menschen. Außerdem höre ich sehr gerne Musik.

Gibt es sonst noch etwas, das du mit unseren Leser:innen teilen möchtest?
Ja: Ich möchte sagen, dass sehr viele Menschen sehr viel Arbeit investiert haben, damit die Bewährungshilfe dort steht, wo sie das heute tut. Alleine, wenn man an die Anfänge in den 1950er Jahren denkt… was diese Leute im Kleinen geleistet haben, damit die Bewährungshilfe so groß werden konnte ist wirklich beeindruckend. Wie viel Kraft, Arbeit und Energie da hineingesteckt wurde… Also was die sich getraut haben, ist einfach cool!

Über die/den Autor:in

Laura Roth ist seit 2019 Teil des Kommunikations-Teams des Vereins NEUSTART. Ihre Schwerpunkte sind die interne Kommunikation und unsere Newsletter. In unserer Serie #TeamNEUSTART holt sie regelmäßig Kolleg:innen aus ganz Österreich vor den Vorhang

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