Suche
Close this search box.

#TeamNEUSTART: Manuela Wachter

Manuela Wachter blickt bereits auf knapp zwei Jahrzehnte als Ehrenamtliche bei NEUSTART zurück. Ihre Devise: Man muss immer den ganzen Menschen betrachten, nicht nur sein Delikt…

Bitte stell dich kurz vor. In welcher Region und seit wann engagierst du dich als ehrenamtliche Bewährungshelferin?
Mein Name ist Manuela Wachter, ich wohne am Fuschlsee und bin seit 2003 bei NEUSTART Salzburg als Ehrenamtliche. Davor habe ich NEUSTART bereits ein Dreivierteljahr bei WOGE (Anmerkung: ehemals betreutes Wohnen für Haftentlassene) ehrenamtlich unterstützt. Dort habe ich Spätdienste bis Mitternacht gemacht.

Warum hast du dich für dieses Ehrenamt entschieden? Was gefällt dir daran am besten?
Das war ein Zufall. Ich habe die damalige Leiterin der Justizanstalt kennengelernt und wollte mich eigentlich im Justizbereich ehrenamtlich engagieren. Sie hat mich dann auf NEUSTART aufmerksam gemacht. Kurz darauf habe ich mich beworben und bin gleich in ein ganz neu gegründetes Team gekommen. Mir gefällt an diesem Ehrenamt, dass man mit kleinen Schritten – mit Geduld und Ausdauer – mehr bewirken kann, als mit dem erhobenen Zeigefinger.

Und was machst du hauptberuflich?
Ich bin seit Mai 2021 in Pension. Ursprünglich habe ich eine Krankenpflegeschule besucht, später aber in die gehobene Hotellerie gewechselt. Ich weiß noch, wie ich nach einem langen, „grauslichen“ Tag in der Krankenpflegeschule zu einer Kollegin gesagt habe, dass ich eigentlich nur noch weg möchte und ein halbes Jahr am Arlberg Schifahren gehen will… und das habe ich dann tatsächlich gemacht (lacht). Danach war ich 20 Jahre im Hotel Schloss Fuschl beschäftigt, fünf davon als Personalchefin. Zu Spitzenzeiten war ich für 275 Mitarbeiter:innen verantwortlich, davon 37 Lehrlinge. Die letzten Jahre vor der Pension war ich dann in der Textilreinigung tätig.

Wie ergänzen sich dein Ehrenamt und Hauptberuf gegenseitig? Profitiert das eine vielleicht sogar vom anderen?
Ich habe aus meiner Zeit als Personalchefin noch gute Connections zur Gastro- und Hotelbranche. Das nutze ich, um meinen Klient:innen Jobs zu vermitteln – oder Lehrstellen. Außerdem helfe ich ihnen beim Schreiben ihrer Lebensläufe und Bewerbungen.

Was sagt dein Umfeld dazu, dass du ehrenamtliche Bewährungshelferin bist? Welche Rückmeldungen bekommst du, wenn du davon erzählst?
Anfangs gab es schon Skepsis, weil kaum jemand NEUSTART gekannt hat. Später kam immer mehr Bewunderung dazu. Schlimm war, als vor einigen Jahren in einer „Tatort“-Folge eine ehrenamtliche Bewährungshelferin im Gefängnis ermordet wurde, da herrschte dann wieder große Sorge in meinem Bekanntenkreis.

Wie viele Klient:innen begleitest du derzeit?
Immer fünf.

Gibt es Klient:innen-Typen mit denen du besonders gerne und konstruktiv arbeitest? Also liegen dir bestimmte demografische Gruppen oder Delikt-Arten mehr als andere?
Nein, das ist mir eigentlich egal. Ich bin immer neugierig auf die Lebensgeschichten meiner Klient:innen. Nur eines mag ich nicht mehr – und das ist bei NEUSTART Salzburg auch schon bekannt: Jugendliche, die betrunken Kellereinbrüche begehen – Flaschen und Leergut stehlen – und sich danach nicht mehr daran erinnern können. Die hatte ich zu Beginn tatsächlich oft…

Gibt es so etwas wie eine typische Betreuungssituation? Wie laufen die Termine mit deinen Klient:innen ab?
Es ist immer wichtig, die Tagesverfassung der Klient:innen zu sehen und zu berücksichtigen. Außerdem darf man das gemeinsame Ziel nicht aus den Augen verlieren. Gleichzeitig muss man aber akzeptieren, dass nicht jedes Treffen neue Erkenntnisse bringt. Manchmal beschäftigen sich die Klient:innen so sehr mit banal erscheinenden Dingen, dass wir diese erstmal aus der Welt schaffen müssen, bevor ein konstruktives Gespräch möglich ist. Ein Klient von mir war zum Beispiel einmal ganz aufgebracht darüber, dass er in einer Bar als „schwul“ bezeichnet wurde, weil er an dem Tag ein rosa Hemd anhatte. Darüber haben wir gesprochen, obwohl es nichts mit seinem Delikt zu tun hatte. Man muss immer sehen, wie es dem Gegenüber gerade geht und was sie oder er braucht, um reden zu können. Deswegen treffe ich auch nicht alle meine Klient:innen bei NEUSTART im Büro, sondern auch auf Spaziergängen oder im Kaffeehaus. Manche tun sich im Büro einfach schwer, es schüchtert sie ein. Bei einem 16-Jährigen habe ich mich zum Beispiel immer als Alleinunterhalterin gefühlt, bis ich mich mit ihm im Kaffeehaus getroffen habe, wo er plötzlich geredet hat. Andererseits gibt es aber auch Klient:innen, denen die Bürosituation lieber ist.

Was sind die größten Herausforderungen in der Arbeit mit Straffälligen?
Verschiedene Wegmöglichkeiten in die richtige Richtung aufzuzeigen. Gehen müssen sie ihren Weg dann selbst, ich kann sie nur begleiten und ein Stück mit ihnen gemeinsam gehen. Oft zeige ich meinen Klient:innen drei verschiedene Möglichkeiten auf, wie sie ihr Ziel erreichen können – entscheiden müssen sie aber selbst. Für mich ist außerdem ganz, ganz wichtig, dass sie Struktur erlernen und einhalten – dass sie erkennen, dass Struktur wichtig ist und ihnen helfen kann. Das ist oft herausfordernd.

Woran merkst du ganz konkret, dass deine ehrenamtliche Arbeit etwas bewirkt?
Wenn ich sehe, dass Vertrauen aufgebaut wurde und ein wirkliches Arbeiten an den Zielen möglich wird. Dabei ist wichtig, auch „Babyschritte“ zu sehen und anzuerkennen. Besonders schön finde ich, wenn sich Klient:innen nach mehreren Jahren wieder bei mir melden, um zu erzählen, wie es ihnen geht. Es ist bei mir auch oft in der Supervision Thema, dass viele Klient:innen bei mir „picken“ bleiben wie Kaugummi (lacht). Viele schreiben mir jedes Jahr zu Weihnachten. Ich habe zum Beispiel auch noch immer eine sehr gute Beziehung zu meiner allerersten Klientin, die 2003 gerade einmal 16 Jahre alt war – damals hatte sie noch nicht einmal einen Hauptschulabschluss, heute steht sie mitten im Leben.

Wie findest du persönlich Ausgleich zu deinem Job und Ehrenamt? Was machst du in deiner Freizeit?
Haus und Garten. Familie und Enkerl. Außerdem lese ich gerne und der Fuschlsee lädt ja geradezu zum Schwimmen ein. Seit Herbst mache ich eine Ausbildung zur ehrenamtlichen Sterbebegleiterin in einem Hospiz und endlich auch einen Französischkurs. Jetzt habe ich die Zeit dazu. Das mit dem Hospiz ist mir so wichtig, weil eine Freundin von mir dort gestorben ist und mich die Arbeit, die dort geleistet wird, sehr berührt hat. NEUSTART bleibe ich als Ehrenamtliche aber trotzdem treu.

Gibt es sonst noch etwas, das du mit unseren Leser:innen teilen möchtest?
Wir dürfen unsere Klient:innen nicht nur auf ihr Delikt reduzieren, sondern müssen ihre positiven Seiten stärken und ihnen helfen, ein stabiles Gerüst für ihre Zukunft aufzubauen. Wie ein Chefarzt – der nicht nur die Galle, die er gerade operiert, sehen darf – müssen auch wir die Menschen immer als Ganzes betrachten.

Über die/den Autor:in

Laura Roth ist seit 2019 Teil des Kommunikations-Teams des Vereins NEUSTART. Ihre Schwerpunkte sind die interne Kommunikation und unsere Newsletter. In unserer Serie #TeamNEUSTART holt sie regelmäßig Kolleg:innen aus ganz Österreich vor den Vorhang

Mehr von mir lesen >>