NEUSTART Positionen 2025
Der Einladung folgten 105 Teilnehmer:innen aus 42 verschiedenen sozialen Einrichtungen, Sicherheitsbehörden, sowie Vertreter:innen des Landes Vorarlberg. Unter den Gästen befanden sich zudem Kolleg:innen der Bewährungshilfe Liechtenstein und Baden-Württemberg. Ein starkes Zeichen für die grenzüberschreitende Relevanz des Themas.
Die Veranstaltung zeigte eindrucksvoll, wie vielfältig die Perspektiven auf digitale Delikte sind – und wie wichtig der offene, manchmal auch kontroverse, Austausch bleibt, wenn es um Haltung, Verantwortung und Wirkung sozialer Arbeit geht.
„Die Tatorte haben sich verschoben“
In meiner Eröffnungsrede habe ich aufgezeigt, dass sich Kriminalität in neue Räume verlagert hat:
„Die Grenze zwischen digitaler und realer Welt ist längst verschwunden. Die Tatorte von heute sind nicht mehr nur Plätze, Straßen oder Häuser. Es sind oftmals digitale Räume – Kommunikationsplattformen, Netzwerke, Messenger-Dienste.“
Mit dieser Perspektive rückte ich die zentrale Frage in den Fokus: Wie kann Soziale Arbeit auf gesellschaftliche Veränderungen reagieren, ohne ihre Haltung zu verlieren?
Zwischen Schokolade, Sexting und sozialer Verantwortung
Im Beitrag von Mathias Breuss von saferinternet.at wurde deutlich, dass digitale Kompetenz weit mehr ist als technisches Wissen. Mit einem anschaulichen Vergleich was Schokolade mit unserem natürlichen Instinkt zu tun hat, richtig und falsch zu unterscheiden, zeigte er, wie leicht junge Menschen in der Online-Welt Grenzen überschreiten, ohne sich der Konsequenzen bewusst zu sein. Trends entstehen und verschwinden in Sekunden, und oft geht es im Netz nur um eines: Sichtbarkeit und Reichweite. Dabei sind Cybermobbing und Sexting längst Alltagsthemen unter Jugendlichen. Breuss machte deutlich: Es braucht Prävention durch Information, Aufklärung, Dialog und ein Bewusstsein für Konsequenzen. Digitale Kompetenz ist dabei keine technische, sondern eine soziale Fähigkeit, die Empathie, Reflexion und Verantwortungsbewusstsein erfordert.
Digitale Kriminalität aus Sicht der Justiz
Konstanze Erath, Staatsanwältin, gewährte in ihrem Beitrag einen Einblick in die juristische Dimension digitaler Delikte. Die Digitalisierung habe neue Tatfelder eröffnet, von gefährlichen Drohungen über Messenger bis zu sexuellem Missbrauch im Netz oder digitaler Verhetzung. Erath betonte, dass die Staatsanwaltschaft digitale Delikte genauso verfolgt wie analoge Straftaten, auch wenn die Ermittlungen durch internationale Zuständigkeiten, kurze Speicherfristen oder mangelnde Mitwirkung einzelner Telekommunikationsanbieter:innen erschwert werden.
Besonders hervor hob sie die Schnittstelle zur Sozialarbeit, etwa zur Familien- und Jugendgerichtshilfe oder zum Verein NEUSTART. Diese Zusammenarbeit und Programme wie „sicher.net § 207a“ seien entscheidend, um den Menschen hinter dem Delikt zu sehen, Ursachen zu verstehen und Rückfälle zu verhindern.
Diskussion zwischen Prävention, Polizei, Justiz und Sozialarbeit
In der abschließenden Podiumsdiskussion trafen unterschiedliche Perspektiven aufeinander: Vertreter:innen aus Prävention, Polizei, Staatsanwaltschaft und Soziale Arbeit beleuchteten gemeinsam Chancen und Grenzen im Umgang mit digitalen Delikten. Dabei wurde deutlich:
- Prävention und Aufklärung beginnen im Elternhaus und in der Schule
- Handyverbote in Bildungseinrichtungen können zwar entlasten, ersetzen aber keine Medienerziehung und keine Förderung von Medienkompetenz
- Effektive Antworten auf digitale Delikte entstehen nur im Zusammenspiel von Polizei, Justiz, Pädagogik und Sozialarbeit.
Gerade in diesem Zusammenspiel zeigt sich die besondere Rolle der Sozialen Arbeit: Sie übersetzt zwischen Systemen und bleibt dabei am Menschen dran.
Vom Tatort zur Verantwortung
Die Positionen 2025 machten sichtbar, dass digitale Delikte kein Randphänomen sind, sondern Ausdruck gesellschaftlicher Dynamiken: fehlender Zugehörigkeit, sozialer Ungleichheit und mangelnder Medienkompetenz.
Für NEUSTART bedeutet diese Entwicklung, dass wir die sozialen, psychologischen und gesellschaftlichen Dynamiken hinter digitalen Delikten verstehen und angemessen darauf reagieren müssen. Wir fördern Einsicht und Veränderung, nicht durch Abschreckung, sondern durch Beziehung, Reflexion und Verantwortung.
Damit steht NEUSTART auch im digitalen Raum für das, was den Kern unserer Arbeit ausmacht: Kriminalitätsursachen bearbeiten statt Strafen vollziehen. Rückfallvermeidung und Opferschutz durch Soziale Arbeit.
Die Veranstaltung zeigte einmal mehr:
Wenn wir über „digitale Delikte“ sprechen, sprechen wir über Menschen, über Beziehungen, Verantwortung und das gemeinsame Ziel, gesellschaftliche Teilhabe auch online zu ermöglichen.