Neue Denkmuster in alten Systemen
„Die Strukturen und Institutionen des Patriarchats brechen nicht zusammen. Was in den industrialisierten Ländern zusammenbricht, ist die Legitimierung des Patriarchats.“
Schreibt die australische Soziologin Raewyn Connell, die sich kritisch mit Kultur, Medien und Politik auseinandersetzt. Sie findet damit einen möglichen Grund, warum wir uns als Gesellschaft gerade jetzt so stark auf der Suche nach der Rolle von Männern befinden – und warum sich diese als so schwierig gestaltet: patriarchale Strukturen auf systemischer Ebene bleiben zwar bestehen, der kulturelle Glauben an diese Strukturen wird jedoch hinterfragt, herausgefordert und teilweise niedergelegt.
Male Entitlement und die Manosphere

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Harald Koberg, Experte für die gesellschaftlichen Auswirkungen der Digitalisierung, weist in seiner Arbeit auf Male Entitlement und die Inszenierung von Männlichkeit in der Krise hin. Männer fallen in Statistiken negativ auf: sie sind öfter von Gewalt betroffen, führen Suizid-Raten an und sind öfter Täter. Das spielt in das gern reproduzierte Narrativ hinein, dass in der heutigen Gesellschaft, Männer die Benachteiligten sind.
Beim Male Entitlement wird von Männern ein selbstverständlicher Anspruch auf Vorteile im System eingenommen. In einem patriarchalen System schließlich der bisherige Modus Operandi. Wenn diese Vorteile nun, zumindest gefühlt, oder auch tatsächlich, ausbleiben, Statistiken eine Schlechterstellung andeuten, kann große Wut entstehen. Diese Wut richtet sich dann häufig nicht gegen das überreizte System, sondern gegen Personengruppen wie Frauen und Migrant:innen.
In der Manosphere findet diese Wut Raum, Echo oder Ursprung – sie ist ein ideologisches, antifeministisches Netzwerk deren Narrative und Ideen durch Algorithmen an (junge) Männer im Netz getragen werden. Die Ziele: Selbstoptimierung, hegemoniale Männlichkeit und das Beherrschen weiblicher Sexualität.
Caring Masculinities als neue Männlichkeitspraxis
Die Manosphere versteht sich jedoch als gesellschaftlicher Außenbereich, aus dem Teilargumente im Mainstream ankommen. Im Gegensatz dazu, nimmt für eine wachsende Anzahl von jungen Männern Familie und Sorgearbeit eine wichtigere Rolle ein. Caring Masculinities wird von Expert:innen als eine neue, gesunde Männlichkeitspraxis verstanden, die Männern erlaubt, Fehler zu machen, Hilfe anzunehmen, gemeinschaftlicher zu Leben und den Fokus auf Fürsorge und Beziehungen zu legen.
Caring Masculinities bietet einen Weg zu einer gewaltfreieren Gesellschaft. Forschungen zeigen: je mehr Gleichberechtigung in den Beziehungen der Eltern vorgelebt wird, desto weniger Gewalt wird in den Familien ausgeübt. Männerbilder werden vorgelebt, auch die problematischen: „In meiner Arbeit habe ich oft mit Jugendlichen zu tun, die erzählen, sie haben Gewalt ausgeübt, weil sie sonst ihre Ehre verloren hätten“, so NEUSTART Niederösterreich und Burgenland Leiter Alexander Grohs im Podcast Richtig & Falsch. In den meisten Fällen wird die Anwendung von Gewalt als Lösungsstrategie Zuhause vorgelebt. Der Baustein für Fürsorge statt Gewalt muss also in den eigenen vier Wänden gelegt werden – zusätzlich braucht es eine fortlaufende Auseinandersetzung auf Augenhöhe, Prävention und Bildung.